Hitze als Gesundheitsrisiko
Gesundheitsamt und Gefahrenabwehr werten Einsätze des Rettungsdienstes an Hitzetagen aus / Impuls für die Prävention vor Ort
Zu wenig Flüssigkeit, starkes Schwitzen, eine Belastung für Herz und Kreislauf: Große Hitze kann zur Gefahr für die Gesundheit werden. Durch häufigere und starke Hitzeperioden steigt dieses Risiko vor allem für ältere und vorerkrankte Menschen. Das Gesundheitsamt und die Gefahrenabwehr des Landkreises Gießen haben nun evaluiert, welchen Zusammenhang es zwischen Hitze und medizinischen Notfällen im Landkreis gibt, die Rettungsdiensteinsätze erfordern.
„Hitze und Gesundheit“ heißt der Bericht, den Dr. Sophie Ruhrmann, Ärztin im Gesundheitsamt des Landkreises Gießen, Dr. Nils Lenz und Dr. Florian Martens, Ärztliche Leiter Rettungsdienst, ausgearbeitet haben. Die wissenschaftliche Beratung übernahm Apl. Prof. Ursel Heudorf, Justus-Liebig-Universität, ehemalige stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamtes Frankfurt.
Untersucht wurden nicht nur die Zahl der Rettungsdiensteinsätze der vergangenen Jahre vor dem Hintergrund der regionalen Wetterdaten, sondern auch betroffene Altersgruppen sowie die Sterblichkeit in den Sommermonaten seit dem Jahr 2000. In Kürze wird der Bericht den Mitgliedern des Kreistagsausschusses für Soziales, Gesundheit, Integration und Ehrenamt vorgestellt.
542 Einsätze im Vorjahr in Zusammenhang mit Hitze
Ein zentrales Ergebnis: „Hitzewellen mit einer Tageshöchsttemperatur über 32 Grad bringen ab dem ersten Tag erhöhte Zahlen von Rettungsdiensteinsätzen mit sich“, erklärt Dr. Nils Lenz. Zwar nimmt seit einigen Jahren die Zahl der Einsätze des Rettungsdienstes grundsätzlich zu – gerade im Jahr 2022 wurden aber nicht nur insgesamt, sondern auch im Zusammenhang mit hitzebedingten Erkrankungen die höchsten Einsatzzahlen der vergangenen Jahre überhaupt in allen Altersgruppen verzeichnet: 9184 mal rückte der Rettungsdienst zwischen Juni und August aus, eine Zunahme um knapp 37 Prozent seit 2017. 542 dieser Einsätze waren hitzebedingten Notfällen zuzuordnen – eine Zunahme um 25 Prozent gegenüber 2017.
Für den Bericht betrachteten Dr. Ruhrmann, Dr. Lenz und Dr. Martens sowohl die Zahl der Rettungsdiensteinsätze insgesamt als auch kennzeichnend für hitzebedingte Notfälle Alarmierungen wegen Hitzeerschöpfung und Hitzschlag, unklarem Fieber, Kollaps und Exsikkose – einer Folge von starkem Flüssigkeitsmangel.
„Geht es um die Gesundheitsgefahren durch Hitze, spielt nicht allein die Temperatur, sondern auch die Luftfeuchtigkeit eine Rolle“, erklärt Dr. Sophie Ruhrmann: „Der Körper muss sich anstrengen, um die Temperatur von 37 Grad zu halten. Es kommt zu starkem Schwitzen, dies kann einen Flüssigkeitsmangel verursachen.“ Gerade ältere und pflegebedürftige Menschen sind gefährdet, aber auch Babys und Kleinkinder. „Das richtige Verhalten während großer Hitzewellen ist darum wichtig.“
Die Auswertung der Rettungsdiensteinsätze allein stelle kein Konzept für eine Prävention dar, betont Landrätin Anita Schneider, zugleich Dezernentin für Gefahrenabwehr und Klimaschutz: „Der Rettungsdienst dient hier als ein Indikator, denn er ist ein Teil der Gesundheitsversorgung gemeinsam mit Arztpraxen, Kliniken, Heimen und Pflegediensten.“ Nun sei unter anderem zu prüfen, ob die Auswertung der Einsätze Aufschluss darüber geben kann, ob es in bestimmten Bereichen oder an bestimmten Orten besonders oft zu Notfällen kommt und gezielte Maßnahmen möglich sind. Gerade mit Blick auf den demografischen Wandel und eine wachsende Zahl älterer Menschen sei dies eine wichtige Aufgabe zur Anpassung auf Folgen des Klimawandels.
„Hitzewellen sind genau wie Starkregen oder andauernde Trockenheit extreme Wetterereignisse“, sagt Gesundheits- und Sozialdezernent Frank Ide. „Es gab sie auch früher schon – durch den Klimawandel treten sie aber immer häufiger und ausgeprägter auf. Der nun vorgelegte Bericht macht in Zahlen deutlich, wie sich Hitzetage auf die gesundheitliche Versorgung im Landkreis auswirken. Er kann ein Ansatz sein für verstärkte Vorbeugung und Sensibilisierung, die wir zum Beispiel im Rahmen der Gesundheitskonferenzen auch mit anderen Akteuren erreichen können.“
Dies entspricht auch einer Koordinierung vor Ort, die das Land in seinem Hitzeaktionsplan vorsieht. Bereits jetzt besteht ein Hitzewarnsystem des Ministeriums für Soziales und Integration. Wird die zweite und höchste Stufe ausgerufen, informieren die Gesundheitsämter Arztpraxen, Kliniken, Rettungsdienste und Pflegedienste. Die Heimaufsicht der Regierungspräsidien nimmt Kontakt zu Pflegeheimen auf. „Unter anderem wird dann sensibilisiert, auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr für betreute Menschen zu achten und für Beschattung zu sorgen“, erklärt Dr. Sophie Ruhrmann. Gerade mit Blick auf ältere Menschen, die allein zuhause leben, plant das Gesundheitsamt auch eine Weitergabe von Informationen über Apotheken oder Ärztenetzwerke.
Informationen zum richtigen Verhalten bei Hitze:
Worauf sollte jeder achten, um fit durch heiße Tage zu kommen? Was ist am Arbeitsplatz zu beachten, was ist gerade für ältere Menschen wichtig? Viele Informationen sowie die aktuellen Hitzewarnungen des Deutschen Wetterdienstes gibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter www.klima-mensch-gesundheit.de