Mehrere Personen stehen nebeneinander und schauen in die Kamera. Drum herum sitzt ein Publikum.
Veröffentlicht am: 30.10.2023|Kategorien: Gesundheit|

Das richtige Achten auf die gesunde Seele

Themenvormittag rund um mentale Gesundheit für die Beschäftigten des Landkreises Gießen

Was Harry Potter mit seelischer Gesundheit zu tun hat? Die Dementoren, seelenlose und düstere Kreaturen in den Romanen um den Zauberlehrling, stehen wie ein Sinnbild für die Auswirkungen einer Depression: In den Geschichten saugen sie ihren Opfern jedes Empfinden für Freude aus. Genau das, erklärt Dr. Johannes Krautheim, sei das Merkmal einer Depression.

Der Oberarzt der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Gießen und Vorsitzende des Bündnisses gegen Depression Gießen e.V. gehörte zu den Referenten eines Themenvormittags für die Beschäftigten des Landkreises Gießen rund um seelische Gesundheit.

Dass das Team des Betrieblichen Gesundheitsmanagements und der Sozialpsychiatrische Dienst des Landkreises das Thema wählten, hat gute Gründe: Statistisch leidet jeder dritte Mensch mindestens einmal im Leben an einer psychischen Erkrankung. Depressive Erkrankungen sind in der Gesellschaft präsent – und damit auch im Beruf. „Wir möchten dazu beitragen, das Thema aus der Tabu-Zone zu holen“, erklärte Gesundheitsdezernent Frank Ide zu Beginn der Veranstaltung im neuen Gefahrenabwehrzentrum. „Wir möchten Angebote zeigen, wo Betroffene Hilfe finden. Und wir möchten der Angst das Gewicht nehmen.“ Ein Dankeschön ging an die beiden Vereine Bündnis gegen Depression Gießen und das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit, in denen sich Experten, Betroffene und Angehörige engagieren.

„Mehr als Traurigkeit: Depressionen“, so hatte Dr. Krautheim seinen Vortrag überschrieben, in dem er auf Hintergründe und Behandlungsmöglichkeiten einer Depression einging. Keine Energie, Niedergeschlagenheit, sozialer Rückzug, Schlafstörungen – dies alles können Symptome sein. Vielfältige Umstände zählen zu den Auslösern: Lebenskrisen gehören dazu, ebenso könne eine Depression chronisch oder zusammen mit einer anderen Erkrankung auftreten.

Viele Therapieformen bieten Betroffenen wirksame Hilfe

Für Betroffene gibt es gute und wirksame Hilfe, wie Ginea Hay, Psychologische Psychotherapeutin an der Vitos Klinik, erklärte: Erster Schritt für Betroffene sei immer ein Erstgespräch in einer psychotherapeutischen Praxis, um zu klären, ob und in welcher Form eine Erkrankung besteht und welche Therapieformen infrage kommen. Eine Alternative könnten auch die Hochschulambulanzen der Unis Gießen und Marburg sein, wo psychotherapeutisches Personal in Ausbildung tätig ist. Die Vitos Klinik selbst biete vielfältige Angebote – sowohl ambulant als auch stationär: „Wie in einem Orchester“ seien hier viele Fachleute eingebunden, um Betroffenen zu helfen – je nach Situation durch verschiedene Therapieformen, zu denen auch Sport und Bewegung gehören können.

Wie groß das Zusammenspiel von seelischer Gesundheit und einem Wohlfühlen am Arbeitsplatz ist, machte Professor Dr. Christoph Mulert deutlich, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Gießen und Vorsitzender des Gießener Aktionsbündnis für Seelische Gesundheit. Mit 43 Prozent seien psychische Erkrankungen der häufigste Grund für krankheitsbedingte Frühverrentungen, erklärte Mulert. Zwar tue vielen Menschen ihre Berufstätigkeit gut und stärke das psychische Wohlbefinden durch Selbstwert, Sinn und Teilhabe – aber: „Die Arbeit kann auch Quelle einer psychischen Belastung sein.“ Selbstwirksamkeit sei von Bedeutung, damit Beschäftigte eine Zufriedenheit in ihrer Tätigkeit verspüren; dazu gehöre die Mitarbeit an Zielen, Mitgestaltung der Arbeitsabläufe und auch eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit.

Mulert ging auch auf die Hintergründe psychischer Erkrankungen in Stoffwechsel und Gehirn ein und nahm die Sorge vor den Auswirkungen von Medikamenten: Für Betroffene sei in vielen Fällen ein Zusammenspiel von Psychotherapie und Medikamenten sehr hilfreich. „Bestimmte geeignete Medikamente können bereits nach einigen Tagen eine Besserung verschaffen.“

Rosemarie Rohrmus-Kray als Arbeitsschutzkoordinatorin stellte den „Meilenstein Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung“ in der Kreisverwaltung Gießen vor. Monika Schmidt als Gesundheitsbeauftragte erklärte die Abläufe des Betrieblichen Eingliederungsmanagements. Betroffene mit einer psychischen Erkrankung seien gerade am Arbeitsplatz einer besonderen Situation ausgesetzt, erklärte Professor Mulert. Sein Rat: Den richtigen Weg der Offenheit finden – zum Beispiel im Gespräch mit Vertrauten im Kollegenkreis und Vorgesetzten.

 

Info: Hilfsangebote für Betroffene

  • Erster Schritt für Betroffene und deren Angehörige ist immer ein Erstgespräch, zu dem psychotherapeutische Praxen verpflichtet sind. Danach kann – je nach Situation – die Suche nach einem Therapieplatz beginnen. Bei der mitunter langwierige Suche nach einem freien Therapieplatz gibt es online die Plattformen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen sowie der Psychotherapeutenkammer
  • Die Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Gießen verfügt über eine Notfallsprechstunde, Telefon 0641 4030.
  • Anlaufstelle in akuten Krisen sowie für die Vermittlung von Hilfen ist auch der Sozialpsychiatrische Dienst des Landkreises Gießen, Telefon 0641 9390 1415, E-Mail: sozialpsychiatrischer-dienst @lkgi.de
  • Informationen rund um das Thema sowie eine Übersicht über Anlaufstellen und Hilfsangebote in der Region bieten das Bündnis gegen Depression in Gießen sowie das Aktionsbündnis für seelische Gesundheit
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