Eingliederungshilfen

Verfahrenslotsen

Was machen Verfahrenslotsen?

Verfahrenslotsen beraten, begleiten und unterstützen junge Menschen mit (drohender) Behinderung und deren Familien. Aufgrund der Zuständigkeit vieler Institutionen ist es oft schwer, einen Überblick über die verschiedenen Leistungen zu erhalten – hier setzt das Angebot der Verfahrenslotsen an.

  • Die Verfahrenslotsen beraten individuell, unabhängig und vertraulich.
  • Sie informieren über Rechte oder mögliche Leistungsansprüche und geben Auskunft darüber, wo und wie ein Antrag gestellt werden kann.
  • Wird eine Hilfe abgelehnt, erklären die Verfahrenslotsen, was ein Widerspruch ist und welche weiteren Schritte die Antragsstellenden gehen können.
  • Die Verfahrenslotsen unterstützen dabei, die richtige Ansprechperson für die jeweiligen Anliegen zu finden. Sie können auch an Gesprächen mit Behörden und Institutionen teilnehmen.
  • Die Verfahrenslotsen sind vor allem Vertrauenspersonen: Sie vertreten die Interessen oder Wünsche der jungen Menschen mit (drohender) Behinderung und ihrer Familien und achten darauf, dass diese gehört werden.
  • Die jungen Menschen mit (drohender) Behinderung entscheiden dabei selbst, zu welchem Zeitpunkt und wie lange sie von den Verfahrenslotsen begleitet werden möchten.

Wer kann sich an die Verfahrenslotsen wenden?

  • Alle jungen Menschen bis zum 27. Lebensjahr mit (drohender) körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung, die Anspruch auf Eingliederungshilfen gemäß SGB IX beziehungsweise § 35a SGB VIII (gegebenenfalls in Verbindung mit § 41 SGB VIII) haben,
  • deren Familien sowie Erziehungs- und Personensorgeberechtigte,
  • deren Pflegeeltern und alle Personen, die eine entsprechende Erziehungsvollmacht besitzen,
  • deren gesetzliche Betreuerinnen und Betreuer (zum Beispiel bei jungen Volljährigen).

Auf welchem Weg können die Verfahrenslotsen kontaktiert werden?

Der Verfahrenslotse des Landkreises Gießen steht für telefonische oder persönliche Gespräche zur Verfügung.

Junge Menschen mit (drohender) Behinderung können zunächst auch eine E-Mail schreiben, um erste Fragen zu stellen. Videoberatungen sind ebenfalls möglich.

Warum gibt es Verfahrenslotsen?

Die Zuständigkeit für Leistungen der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit (drohender) Behinderung liegt – abhängig von der Behinderung – entweder bei der Eingliederungshilfe in der Kinder- und Jugendhilfe nach SGB VIII oder bei der Eingliederungshilfe nach SGB IX. Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz soll die Kinder- und Jugendhilfe inklusiver gestaltet werden. Die Eingliederungshilfeleistungen sollen ab 2028 für alle Kinder und Jugendlichen mit Behinderung unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe zusammengeführt werden. Die Verfahrenslotsen unterstützen diesen Übergangsprozess aktiv und gestalten den Weg zu einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe mit.

Eingliederungshilfe für junge Menschen mit seelischer Behinderung

Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung können häufig nicht im gleichen Maß am Leben in der Gesellschaft teilhaben wie gleichaltrige junge Menschen ohne Beeinträchtigung. Deshalb gibt es die sogenannten Eingliederungshilfen. Sie sollen behinderungsbedingte Nachteile ausgleichen und eine altersentsprechende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Junge Menschen, die eine (drohende) seelische Behinderung haben, finden Unterstützung beim Jugendamt.

Von einer seelischen Behinderung bei Kindern oder Jugendlichen spricht man, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen:

1. Die seelische Gesundheit weicht mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand ab.
2. Infolge dieser Abweichung kommt es zu einer Beeinträchtigung der Teilhabe in einem oder mehreren Lebensbereichen (z.B. im familiären Zusammenleben, in der Schule oder in der Freizeit)

Als seelische Behinderungen gelten etwa Autismus-Spektrum-Störungen, posttraumatische Belastungsstörungen oder Abhängigkeitserkrankungen, wenn sie zu Teilhabebeeinträchtigungen führen.

Das Team des Fachdienstes Kinder- und Jugendhilfe steht für Beratungen zur Verfügung. Außerdem steht das Team Eingliederungshilfe als Ansprechpersonen zur Verfügung. Alternativ können sich Betroffene an die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) wenden. Diese informiert und berät kostenlos und bietet auch die Möglichkeit, sich von Betroffenen beraten zu lassen. Die Beratung erfolgt zu allen individuellen Fragen und unabhängig von Trägern, die Leistungen gewähren oder die Hilfen durchführen.

Die Leistungen der Eingliederungshilfe sind in Leistungsgruppen unterteilt.

Das Jugendamt bietet insbesondere Leistungen zur Sozialen Teilhabe, um die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder erleichtern. Dies kann zum Beispiel durch den Besuch einer heilpädagogischen Tagesgruppe erreicht werden, oder durch Hilfe in einer speziellen Wohngruppe.

Daneben gibt es Leistungen zur Teilhabe an Bildung. Diese sollen dem jungen Menschen eine Schulbildung und ggf. schulische/hochschulische Aus- und Weiterbildung für einen Beruf ermöglichen, die seinen Fähigkeiten und Leistungen gerecht wird. So kann beispielsweise eine Schulbegleitung den passenden Bildungsweg aufzeigen.

Ein Antrag ist Voraussetzung, um die Eingliederungshilfe zu erhalten. Den Antrag können Eltern als gesetzliche Vertreter oder Jugendliche ab dem 15. Lebensjahr selbst stellen. Das Jugendamt prüft zunächst, ob eine Abweichung der seelischen Gesundheit vorliegt. Für diese Prüfung benötigt das Jugendamt eine fachliche Stellungnahme eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie oder eines Kinder- und Jugendpsychotherapeuten, die nicht älter als sechs Monate ist.

Ausgehend von der Stellungnahme prüfen die Fachkräfte des Jugendamtes, ob die Abweichung der seelischen Gesundheit des jungen Menschen zu einer Beeinträchtigung seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft führt. Sie verschaffen sich durch Gespräche mit dem betroffenen Jugendlichen und anderen Beteiligten ein umfassendes Bild der Situation.

Die Entscheidung, ob eine Leistung gewährt wird, treffen im Jugendamt immer mehrere Fachkräfte gemeinsam. Dabei berücksichtigen sie die Auswirkungen der Einschränkungen auf die einzelnen Lebensbereiche und stellen fest, ob eine seelische Behinderung besteht oder ob diese drohen könnte. Ist dies der Fall, dann hat der junge Mensch einen Anspruch auf die Leistung. Wenn das Jugendamt die Leistung bewilligt hat, geht es im nächsten Schritt darum, gemeinsam eine geeignete Hilfe auszuwählen.

Die Kosten trägt das Jugendamt. Hilfen, die in der eigenen Familie oder dem alltäglichen Umfeld erfolgen, sind für junge Menschen und ihre Eltern kostenfrei. Wenn Hilfen über einen Teil des Tages in einer Einrichtung (etwa in einer Tagesgruppe) oder ganz außerhalb der Familie (etwa in einer Wohngruppe oder Pflegefamilie) erfolgen, erhebt das Jugendamt einen Kostenbeitrag. Die Höhe ist abhängig vom Einkommen.