Landkreis investiert Ersatzgelder in 300 alte Bäume
Hessenweit einziger Landkreis, der Naturschutzprojekte dieser Art umsetzt: Zum zweiten Mal im Wald bei Laubach wertvolle Einzelbäume vor Abholzung geschont
Alle Seiten sind glücklich mit dem jüngsten Projekt, das der Landkreis Gießen mit der Forstverwaltung des Grafen zu Solms-Laubach verwirklicht hat: Der Landkreis kauft von der gräflichen Rentkammer knapp 300 alte Bäume und beendet deren forstwirtschaftliche Nutzung. Die Bäume, vorrangig Buchen, sind damit ab sofort sich selbst überlassen und dürfen nach dem natürlichen Ableben zerfallen.
Gleichzeitig gehört das gut zwölf Hektar große Projektgebiet namens Eichelgarten, auf dem die rund 150 Jahre alten Bäume stehen, weiterhin dem Grafen Karl Georg zu Solms-Laubach und darf auch zukünftig gepflegt werden. Andere Bäume als die jetzt gekauften können weiterhin wirtschaftlich genutzt und geerntet werden.
95.000 Euro in Naturschutz investiert
Rund 95.000 Euro investiert der Landkreis in dieses Naturschutzprojekt, von dem vor allem altholzbewohnende Tierarten profitieren werden, erläuterte Kreis-Naturschutzdezernent Christian Zuckermann bei einem Pressetermin im Wald, nahe Baum Nummer 297, dem letzten auf der Kaufliste.
Das Geld stammt aus der Kasse der sogenannten Ersatzgelder, also der Beiträge, die zum Beispiel von Bauherren geleistet werden müssen, wenn diese in die Natur eingreifen und diesen Eingriff nicht oder nicht vollständig ausgleichen können. Diese Mittel werden eingesetzt, um den Eingriff in den Naturhaushalt oder das Landschaftsbild an anderer Stelle zu kompensieren.
Aufgabe der Unteren Naturschutzbehörde beim Landkreis ist es, diese Ersatzgelder zu verwalten und für sinnvolle und nachhaltige Projekte im Natur- und Landschaftsschutz zu investieren. Neben Renaturierungs- oder Flächenpflegeprojekten ist auch der Kauf alter, biologisch wertvoller Einzelbäume möglich, erklärte Christian Jockenhövel von der Unteren Naturschutzbehörde beim Landkreis. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Kreis ein derartiges Projekt gemeinsam mit der Stadt Laubach im städtischen Forst durchgeführt.
Landkreis Gießen nutzt bislang als einziger Kreis die Möglichkeit des Einzelbaumkaufs
Der Landkreis Gießen sei allerdings der bislang einzige in Hessen, der diese Möglichkeit zum Einsatz der Ersatzgelder nutze, erklärte der Biologe Dr. Markus Dietz, Geschäftsführer des Instituts für Tierökologie und Naturbildung. Er hatte im Auftrag der gräflichen Rentkammer den Antrag gestellt und erstellt auch für andere Behörden und Verbände Naturschutzkonzepte und Managementpläne.
Dass mit dem jetzt bewilligten Projekt die Bäume auch noch einen wirtschaftlichen Nutzen haben, stellt Revierförster Rüdiger Krato zufrieden. Denn gemäß seinem Auftrag hätte er sie fällen und das Holz verkaufen wollen, was der Graf persönlich ihm untersagt habe. So schilderte er zumindest mit einem Augenzwinkern die Gespräche, die dem Antrag vorausgegangen sind. Karl Georg zu Solms-Laubach äußerte daraufhin seine Überzeugung, dass Waldwirtschaft und Naturschutz zusammengehen müsse.
Buchenwälder und alter Baumbestand sichern breite Artenvielfalt
Markus Dietz erklärte, warum alte Bäume so wertvoll sind: Erst ab einem gewissen Alter entstehen zum Beispiel Spalten und Baumhöhlen, die für einige Tiere als Lebensraum wichtig sind. Das gesamte Ökosystem rund um einen alten Baumbestand ist so einzigartig, dass einige schützenswerte Arten davon angelockt werden.
Wenn also betagte Bäume über das forstliche Nutzungsalter hinaus stehen bleiben dürfen und irgendwann auch als Totholz der Natur zur Verfügung stehen, profitiert die umliegende Tier- und Pflanzenwelt. Alte Bäume sichern den Lebensraum von einigen Zielarten des FloraFaunaHabitat-Gebiets. Von der seltenen Bechsteinfledermaus beispielsweise gibt es im Laubacher Wald aktuell mehrere Kolonien, deren Bewohner unter anderem im Gebiet des Eichelgarten jagen.
Alte Buchenwälder tragen so maßgeblich zum Erhalt der Artenvielfalt bei. Und da Deutschland eine besondere Verantwortung für den Erhalt naturnaher Buchenwälder hat, weil ein Viertel des weltweiten Verbreitungsgebietes der Rotbuche in der Bundesrepublik liegt, habe der Landkreis Gießen den Antrag gern bewilligt, äußerte Politiker Zuckermann. Dass mit dem Grafen zu Solms-Laubach ein Partner gefunden wurde, um dies zu verwirklichen, freue ihn sehr.